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Das Körperorchester - oder - schiefe Töne weisen den Weg zum Einklang

  • Autorenbild: Karin Alana Cimander
    Karin Alana Cimander
  • 1. Nov.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 6 Tagen

Es klang schrecklich schief, echt grässlich! Die Instrumente gaben ihr Bestes, doch irgendwas stimmte nicht!

Das Herz, ein muskulöser Glatzkopf, dessen Aussehen einem Galeerentrommler glich, kam mit seiner Pauke immer wieder aus dem Takt. Magen und Darm, beides Akkordeonspieler mit kräftigen Armen, legten eine Spielpause ein. Die Nebennieren, zwei kleine Zimbeln, waren von dem vielen Adrenalin und Cortisol, das sie immer wieder in Mengen ausstießen, vollkommen beschlagen und klangen dumpf. Die Bauchspeicheldrüse, ein pausbackiges, rundliches Bango, das einen Süßwarenladen mit angrenzendem Spielparadies und Vergnügungspark leitete, ließ die Rollladen herunter und schloss Laden und Außenbereich, in dem schon lange niemand mehr gewesen war. Die Nieren, zwei Hydraulophone, zogen sich hektisch zusammen und ließen die gesamte, vorhandene Flüssigkeit auf einmal abfließen, was die Blase, eine Wassertrommel, ziemlich in Bedrängnis brachte und den Reflex auslöste, den Abflussmechanismus zu öffnen. Der Vagusnerv, die Konzertmeisterin, eine wunderschöne schlanke Harfe mit unendlich vielen, langen Saiten, bei der alle Instrumentenimpulse zusammenliefen, war vollkommen überfordert.

Was war da los?

Das Körperorchester lebte in Manuel, der gerade im Büro seines Chefs, wie schon so oft, Vorwürfen, Beleidigungen, Anfeindungen, Kränkungen und Schuldzuweisung ausgesetzt war. Als er kurze Zeit später das Büro verließ, kam ganz langsam und allmählich wieder etwas Harmonie in die Körpermelodie. Es klang jedoch immer noch schräg, und das tat es schon seit längerem.

In der kommenden Nacht, als Manuel schlief, stellte das Gehirn das ganze System auf Autopilot, sodass alle Organe eine Konferenz abhalten konnten.

    „Ich kann so nicht mehr arbeiten!“, ereiferte sich wütend blubbernd die Gallenblase und ließ die kleinen, bereits vorhandenen Gallensteine wachsen. „Wenn das so weitergeht, kündige ich!“

    „Also, ich hab langsam auch keinen Bock mehr darauf“, warf der Galeerentrommler ein. „Schaut euch meine Arme an! Meine Muskeln sind vollkommen überanstrengt und beginnen sich zu entzünden. Hab jetzt schon Schwierigkeiten, die Schlegel zu halten.“

    „Wir können so viel putzen, wie wir wollen“, beschwerten sich auch die Nebennieren, „wir bekommen den Belag einfach nicht mehr runter.“

    „Wenn meine Angebote nicht mehr benötigt werden, werde ich meinen Laden und das angrenzende Freizeitangebot aufgeben und mich zur Ruhe setzen“, erklärte auch die Bauchspeicheldrüse klar und bestimmt.

Als Manuel am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich schwach und krank und ging zum Arzt. Nach eingehender Untersuchung meinte dieser:

    „Hatten Sie in letzter Zeit viel Stress? Ihr EKG sieht nicht so gut aus. Sie haben eine leichte Herzmuskelentzündung und brauchen jetzt absolute Ruhe. Ich empfehle Ihnen darüber nachzudenken, etwas in ihrem Leben zu verändern, denn die Nieren- und Leberwerte sind auch nicht in Ordnung und es zeichnet sich eventuell auch ein Diabetes ab.“

Die Worte des Arztes hatten Manuel bewusst gemacht, dass es so nicht weitergehen konnte. Er hatte nun viel Zeit zu überlegen, wie er sich sein weiteres Leben vorstellte, was er sich eigentlich wünschte. Ihm fiel auf, dass er schon lange keine Freude mehr gefühlt hatte. Wann hatte er das letzte Mal gelacht? Er wusste es nicht.

Bei gutem Wetter lag er jetzt auf seiner Liege im Garten, mitten zwischen seinen Seerosenteichen, die er so liebte, als er eines Tages plötzlich eine Eingebung hatte, die ihn innerlich beflügelte. Die Melodie seines Körperorchesters klang inzwischen ein klein wenig melodischer und in diesem Moment erhöhte der Galeerentrommler seine Taktrate, in die alle Organe harmonisch einfielen.

Manuel kündigte und fand einen neuen Job, der ihm richtig Spaß machte. Einen Teilzeitjob, indem er geschätzt und geachtet wurde, mit supernetten Kollegen. Während der übrigen Zeit widmete er sich seiner Seerosenzucht und verkaufte erfolgreich seine Züchtungen.

Wenn er nun zufrieden lächelnd in seinem Garten bei den Seerosenteichen saß und glücklich die wunderschönen Blüten betrachtete, zupfte die Harfe ganz sanft ihre Saiten und die anderen Instrumente stimmten ein. In ihm erklangen wundervoll-harmonische Melodien, in die die Vögel in den Bäumen einstimmten.

 

©11/2025 By Karin Cimander

Bildquelle: pixabay.com


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